Zertifizierung von Assistenzhunden

Zertifizierung von Assistenzhunden

Assistenzhunde sind für viele Menschen mit Behinderungen ein Hilfsmittel, um ihren Alltag selbstbestimmt und möglichst eigenständig zu bewältigen. Die wohl bekannteste Assistenzhunde-Art ist der Blindenführhund.
Meine Hündin Luna ist ein so gennanter LPF-Assistenzhund oder Mobilitätshund, wobei das LPF die Abkürzung für „Lebenspraktische Fähigkeiten“ ist. Luna ist ein speziell ausgebildeter Hund, der mir als körperlich stark beeinträchtiger Mensch bei alltäglichen Dingen hilft, die für nicht-behinderte Menschen selbstverständlich sind: Öffnen und Schließen von Türen, Schranktüren und Schubladen, Aufheben von heruntergefallenen Gegenständen, Suchen und Bringen von Portemonnaie und Handy. Auch hilft sie mir beim An- und Ausziehen, Tragen von Einkäufen u.v.m.

Damit nicht jeder seinen Hund als Assistenzhund ausgeben kann, hat der Gesetzgeber die Assistenzhunde-Verordnung (AHundV) 2022 verabschiedet. Diese regelt die Anforderungen an einen Assistenzhund und was ein Assistenzhund alles beherrschen muss. Die AHundV schreibt z.B. vor, dass ein Hund nur dann in die Spezialausbildung gehen kann, wenn er gesundheitlich und charakterlich geeignet ist.

Damit die Ausbildung einen gewissen Standard erreicht, soll die Spezialausbildung nach AHundV frühestens mit 15 Lebensmonaten des Hundes beginnen, mindestens 60 Stunden betragen und in einer zertifizierten Ausbildungsstelle erfolgen. Den Abschluss der Ausbildung stellt eine Prüfung nach AHundV durch einen zertifizierten Prüfer / eine zertifizierte Prüferin dar.

Die Akkreditierung der Ausbildungsstätten und der Prüfer und Prüferinnen sollte von der DGP GmbH als fachliche Stelle im Auftrag des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erfolgen. Jedoch hat die DGP GmbH mit Wirkung zum 15.04.2024 das Amt niedergelegt, ohne überhaupt eine Ausbildungsstelle für Assistenzhunde zu akkreditieren, d.h. es gab bisher keine einzige zertifizierte Ausbildungststelle für Assistenzhunde nach AHundV — und es gibt sie bis heute nicht, da noch keine neue fachliche Stelle für die Zertifizierung von Ausbildungsstätten ernannt worden ist.

Folglich können Assistenzhunde, die nach dem 1.7.23 („Übergangsfrist“) mit der Spezialausbildung begonnen haben und eigentlich alle Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzen, um als anerkannter Assistenzhund zu arbeiten, nicht geprüft und damit nicht zertifiziert werden. Zwar hat das BMAS auf ihrer Webseite (https://www.bmas.de/DE/Soziales/Teilhabe-und-Inklusion/Politik-fuer-Menschen-mit-Behinderungen/Assistenzhunde/assistenzhunde.html – Abschnitt April 2024: Übergangsregelungen zur Prüfung von Assistenzhunden) die Ausbildung in nicht-zertifizierten Ausbildungsstätten weiterhin freigegeben, jedoch gibt es bis heute keine Möglichkeit der Prüfung und damit der Zertifizierung.

Dies stellt jedoch ein großes Problem dar. Nicht-zertifizierte Assistenzhunde sind „nur“ normale Hunde und haben keinerlei Zutrittsrechte, während nach Gesetz (zertifizierte) Assistenzhunde überall mitgenommen würden, wo Menschen mit Straßenschuhen Zutritt haben.
Für mich (und viele andere, die Betroffen sind) hat dieses massive Auswirkungen:

  • Einkaufen: obwohl Luna mir beim Einkaufen helfen kann (Sachen aus dem Regal nehmen, EC-Karte an der Kasse abgeben, Waren vom Band nehmen, diese später tragen usw) haben wir als Mensch-Hund-Gemeinschaft keine Zutrittsrechte. Es ist eine reine Kulanzregelung – und wird oftmals negiert, zumindest in Unna.
  • Arztpraxen, Krankenhäuser: Hier hat Luna ebenfalls keine Zutrittsrechte, die sie als zertifizierter Assistenzhund hätte.
    Krankenhausaufenthalte, wie es letztes Jahr notwendig war, gehen nur ohne mein Hilfsmittel „Luna“. Auch besuchen darf sie mich nicht. Dass dieses Einfluß auf die Bindung hat, ist offensichtlich. Obwohl Luna mir selbstverständlich und gerne hilft, muss ich in diesen Situationen wieder um Hilfe betteln — für Dinge, die für jeden selbstverständlich sind: Ausziehen des Pullovers, wenn es einem zu warm ist, Aufheben von etwas, was mir runter gefallen ist. Das ist für mich ohne Luna nicht selbstständig möglich und aufgrund der Personalsituation im Krankenhaus oft nicht durch das Personal leistbar.
    Was das für mich zur Folge hat, muss ich glaub ich nicht erläutern: ein Aufenthalt in einer Tagesklinik zur Behandlung meines Burn-Outs / der Depressionen kann nicht stattfinden, da die Pflege dort nicht sichergestellt werden kann. Mein Hilfsmittel Luna, was dieses ausgleichen könnte, darf ich nicht mitnehmen, da sie nicht zertifiziert ist.
  • Rehakliniken: Einen medizinisch längst überfälliger Reha-Aufenthalt kann ich nicht antreten, da ich auch hier Luna nicht mitnehmen darf — weil sie nicht zertifiziert ist!
    Aber 4-5 Wochen in einer Rehaklinik getrennt von Luna, wo ich im Prinzip auf ständige Hilfe angewiesen bin (Ausziehen von Pullovern / Jacken, Öffnen und Schließen von Türen etc), ist ohne Begleitperson nicht möglich — oder nur, indem ich meine menschlichen Bedürfnisse und meine Selbstständigkeit aufgebe.
    Aufgrund der Komorbidität der Behinderungen / Erkrankungen würde dieses zwangsläufig dazu führen, dass ich primär den Rehaufenthalt im Bett verbringen würde — was weder meinem Körper noch meiner Psyche gut tun würde.
  • Therapiepraxen: Hier haben wir das Glück, dass meine Ergotherapie und meine Krankengymnastik Luna den Zutritt gewähren – auch wenn sie noch nicht offiziell zertifiziert ist. Wenn ich allerdings noch andere Therapien wie z.B. Psychotherapie antreten möchte, so bin ich hier auch wieder auf das Good-Will der Praxis angewiesen. Wäre Luna bereits zertifiziert, so gäbe es keinerlei Diskussion.
  • Auch finanziell macht die Zertifizierung einen großen Unterschied. In Unna sind Assistenzhunde von der Hundesteuer befreit.
    Auch kann man den Unterhalt von Assistenzhunden von der Steuer absetzen. Neben der Tierversicherung, den zusätzlichen Tierarztkosten (sofern nicht durch die Versicherung abgedeckt) kann man auch sämtliche Kosten für Futter und Ausrüstung von der Steuer absetzen — wenn der Assistenzhund zertifiziert ist!

Letztendlich gibt es also in Deutschland ein Gesetz, was eigentlich dazu gedacht war, Menschen mit Assistenzhund das Leben zu erleichtern, indem die Zutrittsrechte gesetzlich verankert werden. Allerdings gelten diese nur für die zertifizierten Assistenzhunde und eine Zertifizierung ist nun inzwischen seit mehr als 2 Jahren nicht mehr möglich.
Anstelle einer Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderung zu erreichen, gibt es durch das Gesetz eine massive Verschlechterung.

Besonders schlimm dabei ist: es ist nicht abzusehen, wann wieder eine Zertifizierung möglich ist. Das BMAS schreibt auf ihrer Webseite (https://www.bmas.de/DE/Soziales/Teilhabe-und-Inklusion/Politik-fuer-Menschen-mit-Behinderungen/Assistenzhunde/assistenzhunde.html — Abschnitt „Februar 2025: Umsetzung der AHUndV verzögert sich in einigen Bereichen), dass die notwendigen Rechtsänderungen in der nächsten Legislaturperiode verabschiedet werden können. Mit den Wahlen zum 21. Deutschen Bundestag im Februar 2025 ist diese „nächste Legislaturperiode“ bereits angebrochen, allerdings steht weiterhin in den Sternen, wann das Thema „Zertifizierung von Assistenzhunden“ Einzug in den Bundestag nimmt. Bis dahin werden Menschen mit Behinderungen, die auf einen Assistenzhund angewiesen sind und dieser prüfungsbereit ist, massivst diskriminiert.

PS: Es gibt eine Petiton dazu. Ich bitte alle, die uns bezüglich der Zertifizierung helfen möchten, diese zu unterzeichnen:
https://www.change.org/p/pr%C3%BCfungen-und-anerkennung-von-assistenzhunden
Danke!

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